Problemfelder der Biolandwirtschaft

Hoher Anspruch, denn Bio ist Premium

Ja, es gibt durchaus Problemfelder in der Biolandwirtschaft.
Die Biologische Landwirtschaft ist vor gut 50 Jahren angetreten, um eine Alternative zur konventionellen Landwirtschaft zu bieten, eine Alternative zur Maximierung der Erträge, die weitgehend ohne Rücksicht auf Ökologie, Betriebsorganismus und Eigenständigkeit der Betriebe geschah. In den 1990er Jahren, als die Schattenseiten der konventionellen Landwirtschaft immer deutlicher wurden, wurde die Bio-Landwirtschaft zur attraktiven Alternative, sowohl für die KonsumentInnen als auch für Verarbeitung und Handel und z. T. auch für die Agrarpolitik. Dieses schnelle Wachstum geschah jedoch nicht ohne negative Folgen für den Bio-Landbau. Diese Schattenseiten werden unter dem Stichwort „Konventionalisierung“ zusammengefasst. 

Die in diesem Beitrag genannten Punkte stellen einen exemplarischen Versuch dar, Licht hinter manche Entwicklung zu bringen. Zu betonen ist:

Der eigentliche Maßstab, nach dem jede Bio-Landwirtschaft zu bewerten ist und auch kontrolliert wird, stellt die Einhaltung der EU-Bio-Verordnung 2018/848 mit den zugehörigen Rechtsakten und weiterer, z.T. privatrechtlich selbstgewählter Auflagen dar.

Bei nachfolgenden Punkten handelt es sich vielfach um Erwartungen der KonsumentInnen, vielleicht auch um eine weite Interpretation der Grundwerte der Bio-Landwirtschaft. Es ist nicht zulässig, aus dieser kritischen Betrachtung Negativableitungen zu formulieren, da der ganzheitliche Ansatz hier nicht dargestellt werden kann.

Problemfelder der Biolandwirtschaft:
Soziale Standards hier und dort

In besonders handarbeitsintensiven Kulturen wie z. B. Gemüsebau oder Sonderkulturen müssen Bio-Betriebe verstärkt Fremdarbeitskräfte beschäftigen. Über privatrechtliche Vereinbarungen und persönliche Anständigkeit hinaus gibt es auch in der Bio-Landwirtschaft keine Verpflichtung zu höheren Löhnen als die gesetzliche Mindestnorm. Viele Bio-BäuerInnen zahlen als Motivation für exakte, gewissenhafte Arbeit aber freiwillig einen höheren Preis an die Hilfskräfte. In den Ländern des Südens wird die Bezahlung eines fairen Mindestlohns sehr oft über die Kombination mit dem Fair Trade-Gütesiegel sicher gestellt.

Problemfelder der Biolandwirtschaft:
Einsatz ausländischer Eiweißfuttermittel

Der ideale Kreislauf eines Bio-Betriebs bestünde dann, wenn mehr oder minder keine Betriebsmittel  von außen in den Betrieb kommen und auch nur wenige der erzeugten Lebensmittel den Hof verlassen, der überwiegende Anteil sich also im gesunden Betriebsorganismus dreht. Da verständlicherweise die Subsistenzwirtschaft nur für einen sehr kleinen Teil der Bio-BäuerInnen interessant ist, wird auch in der Bio-Landwirtschaft  viel verkauft aber auch viel zugekauft. Z. B. werden Eiweißfuttermittel zur Deckung des Bedarfs der Tiere zugekauft. Soja stellt die hochwertigste Eiweißquelle dar. Soja wird zum Großteil importiert.

Auf dem Problemfeld globaler, industrieller Landwirtschaft darf BIO nicht spielen:
In Brasilien und Argentinien werden zur Gewinnung von ackerfähigem Land für den Sojaanbau riesige Regenwaldflächen gerodet oder Weideland umgebrochen. Mit dieser Maßnahme werden Flächen verbraucht, die nicht mehr der Lebensmittelversorgung der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stehen, sondern das Futter für die Tiere der Reichen produzieren.
Zusätzlich werden durch diesen „land use change“ riesige Mengen an CO2 frei, die wiederum einen Anteil an der Klimaerwärmung tragen.

Sojakultur im Alpenvorland © Markus Danner
Sojakultur im Alpenvorland © Markus Danner

Vor allem in privatrechtlichen Vereinbarungen werden Beschränkungen oder Verbote zum Einsatz von Importsoja getroffen. Mit einer Erweiterung der Sojaanbauflächen in Österreich ggf. auch im Vertragsanbau in den südöstlichen Anrainerstaaten entlang der Donau sollte in Zukunft das ethisch unproblematische Sojaangebot weiter steigen.

Problemfelder der Biolandwirtschaft:
Leistungshöhe in der Tierhaltung

In der EU-Bio-Verordnung sind keine Leistungsgrenzen festgelegt. Die Limitierung dieser obliegt alleine der Einhaltung der Grundwerte der Bio-Landwirtschaft. Grundsätzlich spricht innerhalb dieser Grenzen wenig gegen eine Spezialisierung, Rationalisierung oder auch Intensivierung in der Tierhaltung. Genetische Herkünfte, die den Tatbestand der Qualzucht erfüllen sind aber ebenso ausgeschlossen, wie Tiere, die sich nicht artgemäß fortbewegen können oder die unter den Fütterungs- und Haltungsbedingungen der Bio-Landwirtschaft auffallend krankheitsanfällig sind.

Leistungshöhen lassen sich am Stammtisch gut diskutieren, da jeder dazu eine quantifizierbare eigene Meinung hat. Legt man den Maßstab „tiergerechte Haltung“ an, dann kommt man zu praktikablen und herzeigbaren Tierhaltungen mit einer betriebsindividuell angepassten Leistungshöhe.

Problemfelder der Biolandwirtschaft:
Einsatz von Hybridsaatgut/Hybrid-rassen

Auch in der Biologischen Landwirtschaft werden sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung überwiegend Hybrid“sorten“ und –„rassen“ verwendet. Die Leistungsvorteile und Uniformität der Hybride überwiegen bei Weitem die Nachteile, wie z. B. die Nichtangepasstheit an die kleinklimatischen und topografischen Besonderheiten.

Von den biologischen Produzentenverbänden gibt es Empfehlungen, wo immer möglich nicht-hybride Sorten zu verwenden. Die Verwendung von CMS (Cytoplasmatische Männliche Sterilität) -Hybriden, die aus Protoplasten- oder Cytoplastenfusion hervorgegangen sind, ist z. B. im BIO AUSTRIA-Gemüsebau nicht zulässig. Da sich einzelne Initiativen sowohl im Gemüsebau als auch in der Getreidesaatzucht  und der Tierzucht aktuell verstärkt um eigenständige Zuchtlinien bemühen, gibt es eine gewisse Hoffnung, dass standortangepasste Sorten und Rassen an Bedeutung gewinnen werden.

Reinhard Gessl

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