BIO gibt Sicherheit

86 % der Bevölkerung ist es wichtig, zu wissen, woher die Lebensmittel stammen, die sie kaufen. 

„Regionale Lebensmittel“ – in den Köpfen der Leute entstehen Bilder von qualitativ hochwertigen Produkten, kurzen Distanzen und Bauern, die diese auf idyllischen Betrieben herstellen. 

Konsumenten werden dadurch Transparenz und Sicherheit, kurze Transportwege und die Förderung der heimischen Wirtschaft vermittelt. Das ist gut und wichtig für alle Bauern in unserer Region.

Man darf jedoch eines nicht vergessen: hinterfragt man den Begriff „regional“, dann stellt man schnell fest, dass das „Woher“ nichts aussagt über das „Wie“ . 

Kurze Wege und heimische Wertschöpfung sprechen natürlich für regionale Lebensmittel, es ist jedoch meist nicht definiert, wie diese Tiere gehalten werden und was sie zu fressen bekommen. Auch bei regionalem Obst oder Gemüse kann der Konsument nicht nachvollziehen, ob und welche Pestizide eingesetzt werden. Dadurch, dass es keine Richtlinien oder gesetzlichen Regelungen gibt, wann ein Produkt „regional“ genannt werden darf, entsteht großer Spielraum bei der Kennzeichnung dieser Produkte. 

BIO ist höchster Standard, vieles Andere nur Erzählung

Bio ist gesetzlich durch die EU-Bio-Verordnung umfassend geregelt, BIO AUSTRIA zertifizierte Lebensmittel haben besonders hohe Standards und sind unabhängig kontrolliert und klar gekennzeichnet. Man weiß bei Bio-Lebensmitteln aufgrund der klaren Richtlinien und der einheitlichen Kennzeichnung, was man bekommt und welche Kriterien und Vorgaben erfüllt werden. 

Hier liegt eine der Aufgaben von BIO AUSTRIA: zu informieren und deutlich zu machen, dass Bio-Produkte den höchsten Stellenwert haben müssen. Dass Bio nicht durch regional ersetzt werden kann. Es liegt auch an uns Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern, unseren Kunden zu erklären, warum regional alleine nicht ausreicht, sondern nur in Kombination mit Bio punktet.

Die Schlussfolgerung muss daher sein: Bio UND regional ist OPTIMAL!

Ulrike Gangl

Landweizen aus dem Salzachtal

Eine regionale Bio Getreidesorte stellt sich vor.

Seit etwa zehn Jahren wird im Salzburger Flachgau, dem Innviertel und der anderen Salzachseite in Bayern eine alte Landweizensorte, der „Laufener Landweizen“, wieder vermehrt und angebaut.
Der Anstoß kam vom Bio Austria Betrieb Eisl aus St. Georgen und dem BioBäcker Itzlinger aus Faistenau, der für seine Gebäckspezialitäten immer für ursprüngliche, von Massenware unterscheidbare, lokale und regionale Herkunft offen war. So wurde aus einer Handvoll Körnern eine kleine Vermehrungsgrundlage für einen kleinen, dann einen größeren Acker.
Inzwischen wird der Landweizen von 13 Betrieben angebaut. Die Ernte wird von zwei Mühlen und 5 Bio-Bäckern, alle Kooperationspartner von Bio Austria,  in Mehle und Brote veredelt. Von Anbeginn dabei war auch das Gut Eiferding bzw. Biergut Wildshut der Stiegl Brauerei, die Landweizen anbauen, vor Ort vermälzen und in die Bio Spezialbiere integrieren.

Grenzüberschreitende Kooperation zu Beginn

Ursprünglich koordinierte die ANL in Laufen (Bayern) für die bayrischen Bauern, und Markus Danner, Bio Austria Salzburg für die österreichischen Betriebe die Nachfrage nach Saatgut einerseits, nach dem Produkt und dessen Aufbringung andererseits.
Der Rückzug der ANL und die fehlende Koordination auf bayrischer Seite führte dazu, dass wir uns fortan auf die Entwicklung in Salzburg/Oberösterreich konzentrierten.
Die Fäden laufen im Bio Austria Büro in Seeham zusammen, Besprechungen, Saatgutbedarf und -anbau, die Saatgutaufbereitung, Anbauflächen und Bereitstellung der Ware für die Verarbeiter werden zentral koordiniert.

Laufener Landweizen – was ist das Besondere daran?

Worin liegt die Motivation, dieses Getreide anzubauen, zu verarbeiten, zu essen?
Die Lokalsorte wurde nachweislich über lange Zeit und vor langer Zeit im Rupertiwinkel, Chiemgau, Traunsteiner und Berchtesgadener Land und im Salzachtal hüben und drüben der Salzach angebaut.
Im Labor wurde seinen Besonderheiten nachgespürt. Dabei ergaben sich Hinweise für eine sehr geringe allergene Wirkung. Tatsächlich reagieren diesbezüglich empfindliche Personen oftmals nicht oder kaum auf Produkte aus dieser Weizensorte. Ein entsprechender Hinweis auf den Produkten ist rechtlich natürlich nicht zulässig.

Das Getreide hat aber noch mehr zu bieten.
Optisch ein Blickfang und Genuss: Gelbgrün im Schossen wie ein Gerstenfeld, reift der Weizen in ein weithin leuchtendes kupferrot ab. In Verbindung mit seiner Eigenschaft, nicht allzu stark zu bestocken, dadurch Licht zum Boden zu lassen, bilden diese Kulturen eine Mischkultur mit etlichen (z.T. selten gewordenen) blühenden Acker-Beikräutern.
Sein hoher Wuchs garantiert einen meist üppigen Strohertrag. Für tierhaltende Gemischtbetriebe ist dies ein nicht unwesentlicher Zusatznutzen.

Herausforderungen beim Start

Der wiederholte Nachbau des Weizens, ohne Qualitätskontrolle sozusagen, führte dazu, dass kein gesundes, qualitativ hochwertiges Saatgut zur Verfügung stand. 
Jede Charge musste  auf Steinbrand untersucht werden, bevor entschieden werden konnte, welche sich überhaupt eignet, als Saatgut in Frage zu kommen. 
Durch strenge Selektion, Fruchtfolge und professionelle Saatgutaufbereitung steht inzwischen qualitativ hochwertiges Saatgut für den Anbau zur Verfügung.
Das anfängliche, nicht ganz rechtskonforme „Weitergeben“ von Betrieb zu Betrieb ist mittlerweile in eine Anerkennung und offizielle Saatgutregistrierung durch die AGES übergegangen.

Die Salzburger Biobäcker entwickelten Brotsorten, teilweise unter großen Herausforderungen, denn „alte“ Getreidesorten funktionieren anders als standardisierte, auch und vor allem in der Teigwanne.
Die Lerchenmühle in Golling übernahm die Bereitstellung der Mehle für die Bäcker, gemeinsam kreierten wir eine Verpackungslinie für die Produkte.
Einen „Projektplan“ hatten wir bis dahin nicht, einige Hektar wurden angebaut, ein paar Bäcker wollten das Produkt verarbeiten, ein paar Läden nahmen den Weizen in ihr Sortiment regionaler Bioprodukte auf. Soviel zur Verfügung stand, soviel wurde an den Mann/die Frau gebracht.
Weitere Produzenten und die Hochmühle in Plainfeld als Verarbeiter/Vermarkter verstärkten unsere Gruppe der Landweizen-Fans, wurden verlässliche Partner und halfen dem Projekt in der Weiterentwicklung.

Wie bringt man mehrere Bauern unter einen Hut?

Die Frage, in welcher organisatorisch-rechtlichen Form so ein Projekt begonnen und betrieben wird, stellte sich natürlich gleich zu Beginn und auch gegenwärtig.
Würden gerne Betriebe von außerhalb von Bio Austria mitmachen, sehen wir das als kontraproduktiv an. 
Denn einerseits soll es ein Bio Austria Projekt sein, das wir gemeinsam entwickeln, betreiben und bewerben, andererseits ist es nicht vermittelbar, dass angestellte und bezahlte Mitarbeiter des Bioverbandes Nicht-Mitglieder auf Dauer mitbetreuen und deren Ware integrieren.
So verloren wir unterwegs den einen oder anderen, der partout nicht Familienmitglied werden wollte.

Das Projekt ist aber nach wie vor offen für zusätzliche Produzenten und natürlich auch Verarbeiter. Auf möglichste Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage wird aber sehr genau geachtet.
Es wurde kein Verein, keine Genossenschaft, keine Interessens- oder Erzeugergemeinschaft gegründet. Die Produzenten werden in unregelmäßigen Abständen erinnert, ihre Ernteerwartungen, Saatgutbedarf etc. bekanntzugeben, und keine Verkäufe zu tätigen, die nicht abgesprochen sind. Dadurch konnten störende  Querschüsse bislang großteils verhindert werden. 

Eine Bedarfs-Abfrage bei den Verarbeitern legt den Rahmen für die Zuteilung der produzierten Menge zum Verarbeiter fest. Mit diesen Informationen im Gepäck werden die Produzenten zur Besprechung geladen.
Diese findet im Sommer statt.  Es wird geklärt, welche Erntemenge von wem für welchen Abnehmer mengenmäßig am besten passt und wieviel im Herbst angebaut werden soll, um keine Überschüsse auf Lager legen zu müssen, die Bedarfe aber bestmöglich zu erfüllen.
Diese unkomplizierte Art der Zusammenarbeit funktioniert bislang und lässt auch noch ein gewisses Wachstum des Projekts zu, solange alle Beteiligten „das letzte Wort“ des Projektkoordinators im Bio Austria Büro akzeptieren und respektieren und Alleingänge möglichst unterlassen.

Saatgutqualität ist entscheidend

Die Erzeugung von sortenreinem Saatgut ist eine Herausforderung, die zu bewältigen Sorgfalt, sehr gute landwirtschaftliche Praxis und Verlässlichkeit erfordert. Für diese Aufgabe zeichnet der Pichlerbauer in St. Pantaleon hauptverantwortlich. Sollte die Menge nicht ausreichen bzw. Wetterkapriolen (Hagel, Unwetter..) die Ernte schädigen oder zerstören, ist sicherheitshalber der Acker eines zweiten Betriebs zur Anerkennung angemeldet. Aufgrund der ausgezeichneten Arbeit auf den Betrieben ist es gelungen, die Qualität nicht nur sicherzustellen, sondern laufend zu verbessern und auf ein hohes Niveau zu heben. 

Engpässe, organisatorische Hürden

Hürden laden prinzipiell dazu ein, übersprungen zu werden. Unerwähnt dürfen sie trotzdem nicht bleiben.
Ein größeres Manko im Salzburger Flachgau und Oberen Innviertel ist die kaum (mehr) vorhandene Getreide-Infrastruktur auf den Betrieben.
Die Arbeitsteilung der letzten 60, 70 Jahre in Hörndlbauern im Westen und Körndlbauern im Osten hat die meisten Betriebe von Lagermöglichkeiten und Aufbereitungstechnik leergeräumt.
So ist nach dem Dreschen durchaus zu hören: „Und wohin soll ich jetzt mit dem Kipper fahren, den brauch ich übermorgen für etwas anderes.“
Ein gemeinsames Lager hat auch Konsequenzen. Es ist mitunter schwer zu vermitteln, dass Getreide, welches  in einen Silo zu anderer Leute Ware gekippt wird, nicht mehr dem Lieferanten „gehört“, sondern die nächsten Schritte der Qualitätssicherung und Verantwortlichkeiten erfordern.
Diese Aufgabe könnten bestenfalls die Partner-Mühlen übernehmen. Aber auch die haben überschaubare Lagerkapazitäten. Vor allem für Chargen in Kleinmengen – letztlich ist dieses Projekt ein Kleinmengenprojekt – ist die Lagerungsfrage eine nur unbefriedigend beantwortete.
Aus diesem Grund wird die Ernte möglichst binnen Wochen an die Verarbeiter ausgeliefert und nicht oder in nur sehr geringer Menge auf Lager produziert.
Und ein Grundsatz begleitet alle Überlegungen: Wenig Kosten, viel Wertschöpfung für den Betrieb.

Ertrag, Wert und Preis

Der Ertrag liegt im Schwankungsbereich jenes von Dinkel. Zwei bis bestenfalls dreieinhalb Tonnen Hektarertrag sind, je nach Standortbedingungen und den Verhältnissen der Wachstumsperiode entsprechend zu erwarten.
Der (Mehr-)Wert liegt in seinen Eigenschaften, wie oben beschrieben.
Verrechnet wurden die letzten Jahre stabil und kontinuierlich € 1,1 bis 1,2 netto pro Kilo. Wurde in preisschwachen Jahren („vor Corona“) seitens der Abnehmer keine hartnäckige Preisdiskussion angezettelt, konnten sich die Produzenten in der Teuerungsphase revanchieren und ihrerseits den Verarbeitern durch unterlassene Preissteigerung eine Weiterentwicklung ermöglichen.
Die Mengen stiegen in den letzten Jahren auf bescheidenem Niveau kontinuierlich. Im vergangenen Sommer ernteten wir 75 Tonnen. Der Herbstanbau lässt erwarten, bei guten Bedingungen und Wetterglück an die 100 Tonnen Erntemenge im Jahr 2024 heranschnuppern zu dürfen.
Das Interesse der Verarbeiter, die Wertschöpfung und der Mehrfachnutzen des Produkts eröffnen durchaus Entwicklungsmöglichkeiten, die genutzt werden wollen.

2023

Markus Danner

Unsere “Mutter Erde”

Die Geschichte der Menschheit ist eng mit “Mutter Erde”, dem Vorhandensein fruchtbaren Bodens verknüpft. Bodenverlust ist beinahe zwingend mit Verlust menschlicher Lebensgrundlage verbunden.

Mesopotamien, das Zwischenstromland – die Wiege der Zivilisation. 
So lernen wir es als Kinder seit Generationen.  Aktuelle Bildberichte aus den kriegsgebeutelten einstigen Paradiesen werfen die Frage auf, wohin die vermeintliche Fruchtbarkeit des Landes denn verschwunden ist und wie das geschehen konnte?

Die Babylonier sind gescheitert, ebenso die Griechen und die Römer, die Wikinger, jüngst die Bewohner der Sahel-Zone und viele andere mehr.
Sie alle konnten nicht verhindern, dass sie den Boden unter den Füßen verloren.

Bodenerosion erfolgt spektakulär und dramatisch, wie die „Dust-bowl“ in den USA in den 30er Jahren, Staubstürme, die Millionen Tonnen Erde des mittleren Westens über die Ostküste in den Atlantik verfrachteten. Oder ein kleinerer Staubsturm vor wenigen Jahren in Norddeutschland, der den Verkehr auf Autobahnen lahmlegte.

Wir erkennen sie auch an scheinbar schicksalhaften Muren und Erdrutschen. 
Meist aber passiert Bodenerosion schleichend. Immer dann nämlich, wenn der Bodenverlust der Fläche ein wenig größer ist als die Bodenneubildung im selben Zeitraum. Generationen übergreifend wird das oft nicht wahrgenommen, doch irgendwann, einige Generationen später muss die Bewirtschaftung des seinerzeit fruchtbaren Landes aufgegeben werden, weil der Oberboden abgetragen oder bereits bis auf den Untergrund erodiert ist. So geschehen in weiten Teilen des Mittelmeerraumes und Nahen Ostens und vielen weiteren Teilen der Welt.

Wir sollten aus der Geschichte lernen

„Wir müssen die Erträge auf unseren Feldern massiv steigern, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können!“ Das ist die Rhetorik jener, die sich davon gute Geschäfte versprechen. Und es sind nicht selten dieselben Kräfte, die weltweit für Bodendegradation verantwortlich sind.
Der weltweite Bodenverlust, der durch kurzfristige Profiterwartung, Armut, korrupte Regime, Gier, Unbildung und Dummheit verursacht wird, ist atemberaubend, um nicht zu sagen apokalyptisch.

Die Frage, wie im Jahr xy soundsoviel Milliarden zusätzlicher Menschen ernährt werden sollen, stellt sich eigentlich überhaupt nicht, denn es wird nicht möglich sein, geht die Zerstörung unserer Lebensgrundlage auch nur annähernd im derzeitigen Tempo weiter. Wir werden mit Ertragssteigerungen die Verluste nicht wettmachen.

Seit 1945 (seit knapp 80 Jahren!!) sind weltweit 1,2 Milliarden Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche verlorengegangen, das entspricht einer Fläche von China und Indien zusammen (Montgomery, 2007).

„Investoren“ empfehlen auf einer Konferenz in London (siehe Dok-Film „Landraub“ von Kurt Langbein), in Afrika zu investieren, das sei der Ort, an dem noch Land verfügbar und die Profitaussichten rosig. Welch gefährliche Drohung! – gegenüber der ganzen Menschheit.  Aber nur wenige empfinden und erkennen das als Drohung. Die Konditionierung und Abstumpfung der Wohlstandsgesellschaft bezüglich raubtierkapitalistischer Rhetorik scheint tadellos funktioniert zu haben.

Was geht uns das an?

Europa schwelgt seit langem im Überfluss, dessen Grundlage – auf neudeutsch – „outgesourced“ ist. 
20 Mio Hektar Ackerland beanspruchen wir Europäer in Übersee.
Wie dann jemand auf die Idee kommen kann, mit den Erträgnissen jener Flächen in Europa Tiere zu mästen, um sie wieder um den halben Erdball zu verschicken. Das als Zukunftsmarkt zu propagieren, ist nur sehr schwer nachvollziehbar. Aber immer noch gesellschaftsfähig.

Mit diesem Wirtschaftsverhalten machen auch wir uns schuldig an der fortschreitenden Verkürzung des Astes, auf dem wir sitzen. Wir – das sind jene, die massenweise Hendl um 3,90 das Stück fressen, aber auch jene, die den Chinesen Schweinefleisch “Made in Austria” aufs Auge drücken wollen.
Wenn unsere Landwirtschaft in Schwierigkeiten gerät, weil der russische Markt aus politischen Gründen wegfällt, könnte das Problem nicht vorrangig in unserem System begründet sein, und weniger an der Geopolitik?

Auch Österreichs Mutter Erde erodiert

Erosion und Bodenverlust ist aber nicht nur eine Sache von fernen Landen. Auch im Osten Österreichs rücken hie und da Schneeräumgeräte aus, um Straßen und Wege befahrbar zu machen. Aber nicht nach Schneefällen – nach Bodenverfrachtungen! 

Viele Hänge werden unter den Pflug genommen und unzureichend gegen Bodenabtrag geschützt. Der Biogasboom hat ein Gerangel um Maisflächen ausgelöst, der die Böden Jahr für Jahr mehr unter Druck bringt, und das in mehrfacher Hinsicht. Die Agrochemikalien tun das Ihrige.
Nur ein Millimeter Boden durch Wind oder Wasser abgetragen bedeutet auf ein Hektar gerechnet 15 Tonnen Feinbodenverlust. Auf ungeschütztem Boden reichen dafür ein paar Stunden scharfe Brise. Die Neubildung derselben Bodenschicht benötigt ca. 20 Jahre.

Mutter Erde ist im Begriff, unter unseren Füßen verloren zu gehen. Als Ausweg aus der Misere nennen jene, die sich mit der Problematik des weltweiten Bodenverlustes beschäftigen, nicht die grüne Gentechnik, nicht die Intensivierung der Techno-Agrikultur, nicht die Forcierung der großen Einheiten. Sie empfehlen biologische Bewirtschaftung und kleine Einheiten in Privatbesitz. Die Geschichte hat auch gelehrt, dass die kleinen Einheiten – die Familienbetriebe – Garant für die beste Obsorge für den Boden waren. Der rumänische Traktorfahrer wird beim besten Willen nicht den Bezug zur Scholle auf dem brandenburgischen oder niederösterreichischen 2000 Hektar Betrieb herstellen können, wie der Jungbauer auf seinem Erbhof in 12. Generation. Gesamtheitlich betrachtet sind kleine Einheiten die effizientesten.
Es fehlt also weder an Gründen noch an tiefem Sinn, Familienbetriebe weiterzuführen, kleine Einheiten zu erhalten, und der nachfolgenden Generation den Wert, Mutter Erde zu bewirtschaften, wieder näherzubringen.

Das gelingt nicht mit Vor-Jammern, sondern mit Vor-Leben. Im täglichen Tun und Handeln genauso wie im Unterlassen, im Vermitteln von Respekt und Ehrfurcht gegenüber der ständig mit Füßen getretenen Haut der Erde. Das kann auch gelingen durch die bewusstere Wahrnehmung des Geschenks der Jahr für Jahr heranwachsenden Kulturen. Dann nähern wir uns wieder der sprichwörtlichen bäuerlichen Kultur. Sie, die bäuerliche Kultur, hat die Zivilisationen prosperieren lassen.
Wo sie versagt hat, sind auch die größten Völker wieder untergegangen. 
Letztlich kann nur sie den menschlichen Fortbestand sichern – indem sie kompromisslos den Boden unter unseren Füßen schützt und verteidigt.

Markus Danner

Abruptes Ende des Biobooms?

Steht ein abruptes Ende des Biobooms bevor?  Verena Kainrath stellt es im Standard vom 6. Juni in den Raum.

Und stellt ebenso fest, dass die Wurzeln tiefer liegen als im gegenwärtigen Inflationsgeschehen.

Jahrelang hätten Politik und Handel den Leuten mittels Parolen von Konsumpatriotismus eingeimpft, dass Regional das bessere Bio sei. Die Biobranche verharre davor wie das Kaninchen vor der Schlange und sehe zu, wie ihr die Felle davon schwämmen.

Davongeschwommene Felle sind mir keine aufgefallen, der „Regionalität“, die konsequent umgesetzt natürlich ein sinnvolles und ressourcenschonendes Konzept sein kann, sind aber auch viele Biobauern auf den Leim gegangen. 

Denn „Regional“ ist kein Qualitätsmerkmal. Wie Kainrath feststellt, werden Schweine auch regional auf Vollspaltenböden mit Gen-Tech Soja aus Übersee gefüttert. Wird Obst auch regional x-mal mit Pestiziden gespritzt. Diese Differenzierung wird im informierten Teil unserer Gesellschaft durchaus vorgenommen!

In der Landwirtschaft glaubten und glauben viele, diese Differenzierung wäre nicht nur nicht notwendig, sondern schädlich. Das kommt natürlich vor allem jenen zupass, die gerne im allgemeinen Sog der vermarkteten Landwirtschaftsidylle mitschwimmen. 
Nach dem Motto: Unsere bäuerliche, kleinstrukturierte Landwirtschaft plus Salzburg, oder plus „Ländle“ (Kosename von Vorarlberg, Anm.), oder plus Tirol etc. ist mehr als Bio genug. 
Dieses Phänomen strahlt inzwischen beinahe europaweit. 

Deutlich zeigt sich das gegenwärtig in der auf die Ukraine-Krise reflexartig erfolgten Forderung, lieber auf Biodiversitätsmaßnahmen zu pfeifen, als ein bisschen weniger Getreide zu verfüttern oder gar zu verspritten oder Mais für Biogasanlagen anzubauen.

Die Biobauern werden sich entscheiden müssen. Ob sie Biobauern sein wollen oder nicht. Wenn ja, werden sie den Mut aufbringen müssen, sich von der konventionellen Landwirtschaft abzugrenzen, um dadurch die Glaubwürdigkeit wieder zu erlangen, die gerade aufs Spiel gesetzt wird.

Die Biobäckerei Obauer im Salzkammergut hat schon in der Vergangenheit gute Bio-Preise für die Rohstoffe (Bio-Getreide!) bezahlt. Liegen die Steigerungen beim Getreide immer noch in  Centbeträgen pro Kilo, bezeichnet Obauer die derzeitige Preisdebatte als Panikmache. 
Der Preis des Lebensmittels, das vom Biobetrieb in die Verarbeitung und den Handel geht, ist nicht das Problem. Das Problem sind all jene, die jetzt die Gelegenheit sehen, dick Rahm abzuschöpfen. 

Hier die Hebel anzusetzen, wäre Auftrag an die Politik!

Besonnen und glaubwürdig weitermachen  könnte das Credo lauten. Dann müssen wir das Ende von Bio nicht ausrufen, sondern im Gegenteil, diese Landwirtschaft als die einzig zukunftsträchtige erkennen und umsetzen.

Markus Danner

Food mythbusters – Mythen über die “Welternährung”

Alt, aber gut, und aktueller denn je, die Food mythbusters!
Nur mit Superlativen in Technik, Bestandesgrößen, Chemie- und Düngereinsatz soll unsere Welt zukünftig genug zu essen haben.

Wie die Verfechter der Biolandwirtschaft meint Anna Lappé das Gegenteil:
Sie spricht von Food mythbusters, von Mythen über die “Welternährung“.

Sieh dir das Video an!

Tierhaltung und Weidemanagement im Bio Landbau

Die Weideregelung, die ab 2022 in Österreich per Erlass verfügt worden ist, ist hier ausführlich dargestellt:

Weide auf Biobetrieben

Internationale Fachtagung zu Fragen der Umsetzung der EU Bio-Verordnung.

Die Konsequenzen des inzwischen berüchtigten EU Audits in Österreich von 2017 sind nach wie vor weder in allen Bereichen klar, noch befriedigend.
Die Thematik ist inzwischen weit über Österreich hinaus heiß, denn aufgrund der Brisanz und der Folgenschwere der bislang gezeigten Kompromisslosigkeit mancher Auslegung durch Zuständige in Kommission (und Ministerien) ist bei vielen in der EU angekommen, dass es nicht bei einem österreichischen Problem bleiben wird.

In einer sehr gut gelungenen 1 ½ tägigen Fachtagung – online abgehalten – wurden die Positionen in Österreich, gesamteuropäisch und organisationsübergreifend ausgetauscht.

Die Standpunkte betroffener Bauern wurden eingangs per Videobotschaften eingebracht, Interessensvertreter von Bio austria und LK Österreich platzierten ihre Standpunkte und Forderungen zu den strittigen bzw. problematischen Bereichen in der Bio-Tierhaltung, v.a. in Bezug auf das Weideerfordernis.

Die fachlichen Expertenbeiträge ließen erkennen, dass eine Regelung, die in einem Absatz Haltungsvorgaben formuliert (wie eben das Weideerfordernis für die Pflanzenfresser), nicht undifferenziert, nicht absolut auf jedes Tier, nicht auf jede Tiergruppe umgelegt werden kann. 

Physiologische Ansprüche von Tieren, v.a. in ihrer Jugend oder lebenszyklische Bedingungen müssen berücksichtigt werden können, wenn das Tierwohl wirklich im Vordergrund stehen soll. Eine zwingende Weidevorgabe z.B. für Kälber/Lämmer/Kitze im Säugealter ist dadurch nicht nur in Frage zu stellen, sondern mitunter höchst kontraproduktiv.

Die juristische Betrachtung der Rechtsvorschriften im Sinne von Spielräumen oder Grenzen zeigte keine eindeutig einheitliche Rechtsmeinung. Klar ist: Die Gesetz-Werdung in der EU ist ein langwieriger Prozess, in den viele Interessen jahrelang in einen Rechtsbestand eingearbeitet werden müssen. Mündet dieser Prozess in eine Verordnung, ist es praktisch beinahe unmöglich, dies in überschaubaren Zeiträumen zu ändern. Und – die Verordnung ist überall und unmittelbar anzuwenden! D.h. die Mitgliedstaaten haben nicht die Möglichkeit, daraus eigene Regelungen zu kreieren, wie etwa bei EU Richtlinien.

Neben Bio Austria Obfrau Gertraud Grabmann wiesen auch Bioland und IFOAM Präsident Jan Plagge und andere darauf hin, dass die Verordnung durch ihre (absichtlich?) nicht präzise ausformulierten Artikel (z.B. …wenn die Umstände dies gestatten…, oder …teilweise…) Spielräume zulassen, die es zu nutzen gilt, und die aufgrund der Heterogenität der Naturräume und sonstigen Voraussetzungen in Europa genutzt werden müssen. 

Mastschweine im Strohauslauf. © Markus Danner
Mastschweine im Strohauslauf. © Markus Danner
solche “Frischluftbereiche” außerhalb des Stallgebäudes werden nach der Auslegung der EU-Verordnung nicht als Auslauf anerkannt.

Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass über mehr oder weniger Überdachung von Ausläufen großer Diskussionsbedarf besteht. In der Praxis macht das nicht „nur“ dem einen oder anderen Einzelbetrieb zu schaffen, sondern Produktionssysteme können dadurch in Frage gestellt werden. So sind in Frankreich z.-b. „All-straw“-Systeme in der Bio-Schweinemast verbreitet. D.h. auch im Auslauf finden die Schweine ein Strohbett vor, der Stall hat keine Spaltenböden. Das funktioniert natürlich nur mit überdachtem Auslauf, andernfalls ist dieses Festmistsystem nicht möglich. Auch in Salzburg gibt es mindestens zwei Ställe, die auf diese Art funktionieren. Würden die Schweine gefragt, ob ihnen Regen im Spaltenauslauf oder ein Strohbett, in das sie sich eingraben können, lieber ist, wie würden die sich entscheiden?

Ich wage keine Prognose, ob diese Tagung in der Rückschau als jenes Ereignis betrachtet werden kann, in Folge dessen sich betroffenen Betrieben wieder Möglichkeiten eröffneten.

Dennoch bleibt eine gewisse Zuversicht, denn die breite Einigkeit, die sich über Länder- und Organisationsgrenzen hinweg in Bezug auf Berücksichtigung lokaler/regionaler Besonderheiten gezeigt hat, war eine positive Überraschung. Es wird darauf ankommen, dass die handelnden Personen mit dem Schwung aus dieser Tagung rasch konkrete Ergebnisse erzielen. 

Markus Danner

Kükenembryos, Bruderhahn und Ethik

Seit vielen Jahren wird und wurde in unregelmäßigen Abständen das Töten frisch geschlüpfter männlicher Küken von Legehühnern angeprangert, ein Verbot gefordert. Die Bioszene hat sich in Teilen (gilt nur für Handelsmarkenlieferanten und Bio Austria Standard) zur Aufzucht der Hähne verpflichtet. Für die langsam wachsenden Tiere wurden spezielle Absatzkanäle gesucht und gefunden. 

Das an sich unrentable Geschäft mit dem „Bruderhahn“ (die Legerassen brauchen viel mehr Futter und länger zum Wachsen als Mastrassen) wird durch die Eier ihrer Schwestern bzw. den Preis ihrer Schwestern (höherer Preis der Bio-Junghennen, den der Legehennenhalter bezahlen muss), querfinanziert.

An einer Lösung auch über den begrenzten Biomarkt hinaus wird gearbeitet, denn schon 2024 soll beispielsweise in Deutschland das Töten männlicher Küken generell verboten sein.
Wenn die Aufzucht von Millionen Hähnen völlig unrentabel ist, sollten die Bemühungen darin bestehen, dass gar keine Hähne schlüpfen. Diese Bemühungen gibt es, in Form der Geschlechtserkennung im Ei. Nun muss dazu aber nicht nur das Ei, sondern auch schon ein mehrere Tage (dzt. ca. 10 Tage) entwickelter Embryo im Ei vorhanden sein, um männlich oder weiblich auseinander zu kennen.
Und an dieser Stelle poppt sogleich die nächste Frage auf. Ob es denn rechtens sein kann, 10 Tage angebrütete Eier wegzuschmeißen, die männliche Embryonen beinhalten, die bereits ab dem 7. Tag schmerzempfindlich sind?

gut entwickelte Masthähnchen im Grünen © Bio Austria
Masthähnchen sind relativ gute Futterverwerter © Bio Austria

Spätestens jetzt beginnt die Debatte absurd zu werden. Es geht nicht um Vegan gegen Nutztiergenießer. Es geht nicht um Tierschützer gegen Landwirte. Irgendwann geht es nur mehr um die Bereitschaft, menschliche Vernunft walten zu lassen. 
Wenn die Ethik der Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung bis zur Schutzwürdigkeit angebrüteter Eier vordringt, dann können wir noch nachlegen: Was ist mit den unzählig getöteten Regenwürmern und sonstigen Bodenbewohnern beim Pflügen und Vorbereiten des  Ackers für die Pflanzung der Setzlinge, aus denen unsere leckeren Brokkoli-, Karotten- und Kartoffelgerichte wachsen?

Und, wenngleich so ein Vergleich unsäglich schwer fällt: Solange eine Gesellschaft mit der Fristenlösung gut leben kann (gegen die ich hier nicht zu Felde ziehe), diese ethisch rechtfertigt, solange darf die Entsorgung angebrüteter Eier nicht Gegenstand einer ernsthaften Diskussion unter psychisch gesunden Menschen sein.

Markus Danner

Woran soll sich Landwirtschaft orientieren?

Gäbe es eine eindeutige Marschrichtung, so wie Mitte des letzten Jahrhunderts, als es hieß, macht zu essen, soviel ihr könnt, wäre die Sache relativ einfach. Doch woran soll sich die Landwirtschaft orientieren, wenn von Allem zuviel auf dem Markt? Wenn sich in der Gesellschaft beinahe jeder und jede bemüßigt fühlt, viel Meinung, aber wenig Ahnung zu haben, wie Bauern arbeiten sollen?

Im Magazin “Unser Hof” (Ausg. 01/21) zeigen gegensätzliche Beiträge den ganzen Irrwitz auf, in dem junge Hofübernehmer, Quereinsteiger oder andere an Landwirtschaft Interessierte Orientierung finden müssen.

Da ist einerseits ein junger ehemaliger Leistungssportler, der ein kleines Bergsacherl von seinen Eltern übernommen hat, mit sieben Kühen, ein paar Schweinen und einer kleinen Hofkäserei incl. ambitioniertem Tourismuskonzept Arbeitsplätze auf dem Hof geschaffen hat. Ein Grünlandbetrieb ohne Milch für die Molkerei, nichts für den “Weltmarkt”.

Da ist andererseits ein junges Paar, das einen Robotic-Hochleistungs-Milchviehbetrieb aufgebaut hat. Eine Aussage, sei sie so getätigt oder vom Journalisten frei erfunden, hinterlässt Appetitlosigkeit: Neben einem Melk- und einem Fütterungsroboter tragen die meisten Rinder Sensoren […] in ihren Pansen. Nachsatz: “So ist es uns gelungen, unseren Traum, Milchwirtschaft im Vollerwerb betreiben zu können, zu erfüllen.”
Sensible Mägen könnten auf Derartiges reagieren.

Freude am ersten Wendetag © Elisabeth Spitzauer
lässt sich Tierwohl “digitalisieren”? © Elisabeth Spitzauer

Beide sind junge Hofübernehmer, beide wachsen in der selben Zeit im Süden Österreichs auf. Ihre unterschiedlichen Perspektiven scheinen aus verschiedenen Welten zu stammen.
Aus diesen beiden Welten ein einheitliches Zukunftsszenario über das Treiben der Landwirtschaft in Österreich zu zeichnen, scheint unmöglich. Dennoch tun es Viele. In bedeutungsschwangeren Diskussionsrunden, vom Stammtisch bis in akademische Zirkel. Die genannten Beispiele lassen erahnen, dass nichts davon stimmt und andererseits alles möglich ist.

Ich habe eine Präferenz, welchem Konzept ich eher zuneige.
160% Selbstversorgungsgrad bei Milch. 60% Milch über Bedarf, die eigentlich niemand braucht.
Dennoch wird jeder neue Stall größer gebaut als es der alte war. Mit viel privatem und öffentlichem Geld. Es wird gezüchtet, fütterungsoptimiert und aufgestockt als wären Mangelzeiten. Mit welchem Ziel?

Darüber laut nachzudenken, muss auch erlaubt sein!

Markus Danner

Genormte Sau für den Massenfraß

Die Fleischindustrie ist das sichtbare und spiegelbildliche Ergebnis zivilisatorischer Perversion.

Der Preis für ein 100 Kilogramm schweres Schwein liegt frei Schlachthof bei ca. 150 Euro. Auf dieser Grundlage unterbieten sich die Angebote in den Supermärkten – ein Wettlauf, ob 5, 4 oder sogar 3 vor dem Komma des Kilopreises für das „Grillfleisch mariniert“ steht.

Viele Kunden greifen zu diesen Angeboten. Wir sind sie gewohnt. Fleisch ist kein Luxusprodukt und darf es dem Vernehmen nach auch nicht werden.

Das Ergebnis dieser Gewohnheit wurde in den letzten Wochen mittels Bewegtbildern in die Wohnzimmer Europas gestreamt. Wir bekamen zu sehen, wie (natürlich ausländische, also halb so schlimm… Ironie Ende) Arbeiter aufgefädelt an Fleischzerlegungstischen im Akkord Schweinhälften zerlegen. Optisch erinnert es allerdings mehr an Müll sortieren. In mehrfachem Sinn.

Denn werden in einem Betrieb pro Tag bis zu 25.000 Schweine angeliefert und geschlachtet, kann die dahinterliegende Geschäftsgrundlage keine ethisch tiefgründige sein. Da ist der Geschäftsgegenstand – also die Schweine – wie Müll zu behandeln.

Infrastruktur ist wegrationalisiert

Dorfmetzger gibt es so gut wie keine mehr. Warum nicht? Weil der König, respektive der Kunde sich entschieden hat, lieber zum Kreisverkehr rauszufahren, um beim dortigen Megamarkt das Grillfleisch mariniert um günstiger zu holen.

Dorfmetzger würden aber einiges bieten! Sie würden beispielsweise den umliegenden Bauern ihre Schweine abkaufen. Etliche Bauern hätten dadurch die Möglichkeit, einige solche in einem würdigen Lebensumfeld zu halten, sich selbst und der Bevölkerung der Umgebung einen nicht unwesentlichen Teil wirklich regionaler, wertvoller Lebensmittelgrundversorgung sicherzustellen.

Die Tiere müssten auch nicht auf Reisen gehen, in überfüllten, heißen, nach Streß und Schweinemist stinkenden LKW Zügen. Der Bauer lieferte sie mit seinem Anhänger. Zu zweit, dritt oder fünft. Nur wenige Kilometer.

Es gäbe keine Konzentration von Verkehr, Geruch, Gülle und permanenter Seuchengefahr.

Keine Bioschweine?

Der Bio-Anteil an der Schweinefleischmenge im Lebensmittelhandel ist verschwindend gering. Abgesehen von einigen wenigen Projekten wie dem „Strohschwein“ tendiert er nahezu gegen null.

Worin liegen die Gründe? Am System.
Dieses zäumt den Gaul fast immer von hinten auf.
Der Handel gibt vor, was er bereit ist zu bezahlen. Davon werden die Margen der einzelnen Teilnehmer der „Wertschöpfungskette“ abgezogen. Was übrigbleibt, wird nach Abzug von guten Ideen wie der Beteiligung an Aktionsrabatten dem Lieferanten überwiesen.

Der Handel geht aber nicht von „Bio-Preis = konventionell + 150%“ aus. Sondern von max. +50%. Aber auch 150% von fast Nichts wäre fast Nichts.

Damit ist der Betrag nach dem üblichen Prozedere negativ.

Um diesem System gerecht zu werden und trotzdem Margen zu erwirtschaften, hat die Lebensmittelindustrie eine Zentralisation, Konzentration und Stückkostenreduktion entwickelt, die sich auch ohne Hang zum Drama als Perversion menschlicher Zivilisation manifestiert. Im Umgang mit Tieren, Mitarbeitern und den Ressourcen dieser Erde. Das organisierte Ende von Schweinen oder anderen Tieren zu Zehntausenden (bei Geflügel 100.000en oder Millionen) täglich an einem Ort hat nichts, aber auch gar nichts mit der Notwendigkeit zu tun, Lebensmittel für die Bevölkerung aufzubringen. Die Maßlosigkeit solcher Unternehmen, gestützt und angetrieben durch die Geiz ist Geil Mentalität und das Schnäppchenjagdfieber der Gesellschaft, hat Infrastruktur und Ernährungssicherheit in den Regionen zerstört, Landschaften verödet , Luft, Wasser, Boden verdreckt und die Vielfalt vernichtet.

Und als wäre aller Unsinn nicht genug, werden Tausende dieser armen tierischen Kreaturen durch Mastfabriken durchgeschleust, in denen sie mithilfe von Überseesoja in kürzester Zeit auf gut 100 Kilogramm Lebendmasse aufgedunsen werden, um sie ans andere Ende der Welt, nach China zu exportieren und mit einem Gläschen Schaumwein auf diesbezügliche Exportzuwächse angestoßen werden kann.

Wir wissen das alles schon lange.
Empörung und Entsetzen über solche Zustände sind nicht angebracht, wenn die Reaktion des Einzelnen in seinem Verhalten ausbleibt.

Schluss mit Reden. Anders tun. Anders kaufen.

Markus Danner

Der Nebenerwerbsbauer – gewinnt der Bauernhof wieder an Bedeutung?

Als landwirtschaftlicher Berater, der beruflich auf Bauernhöfen zu tun hat, bin ich häufig mit Auswirkungen des „Strukturwandels“ konfrontiert.
Ein Bauer zeigt auf Bauernhäuser in der Umgebung: „Da hat man aufgehört, der dort drüben schon länger, der dort wird nächstes Jahr aufhören…“ In vielen Gegenden ist das so.
Noch häufiger wird auf den Umstand verwiesen, dass alle (Familienmitglieder) einer Arbeit nachgehen, die Landwirtschaft wird halt noch auf Schmalspur weiterbetrieben, dem Erhalt des Erbes wegen oder so. 

Da macht es schon Freude, wenn eine Biobäuerin, wie letztens, stolz ihren umgebauten und arbeitsfreundlich adaptierten Stall für 15, 16 Kühe zeigt und Wert auf die Tatsache legt, dass sie sich damit ihren Arbeitsplatz zu Hause sichert.
Ja! Genau. So sollte es doch sein.

Jetzt ist sie da – die Krise. 
Eine Krise, in der die Routinearbeit für Abertausende nicht möglich ist, weil die Betriebe geschlossen werden mussten. Beim Schreiben dieser Zeilen nicht absehbar, wann wieder geöffnet.

Seltsame, völlig ungewohnte Gedanken schleichen sich ein. Beschleichen sie diejenigen vielleicht auch, die erzählen, dass z.B im Pongau sowieso alles vom Tourismus lebt – ob einer von den Kindern das „Sacherl“ daheim weiterbetreibt – wohl eher nicht.
Oder jene Bauernfamilie, die sich erst kürzlich entschlossen hat, ihre beiden kleinen Landwirtschaften im Flachgau zu verpachten. Die Freizeit vom Haupterwerb ist dann eben auch Freizeit, nicht Zweitjob. Ja, das stimmt.
Was aber ist schiefgelaufen, dass junge und ältere Bauern und Bäuerinnen zur Erkenntnis gelangen mussten, dass sie es besser lassen. Das mit der Landwirtschaft.
Wir alle wissen es. Der Preis, die Wertschätzung, die dich verschlingende Bürokratie, die Arbeitsbelastung, die Kosten. 

von der Landwirtschaft leben oder nicht? Die Frage vieler jungen Leute © Danner

Jetzt, wo viele zuhause sitzen, vielleicht sogar auf dem Sacherl der Eltern, schon verpachtet oder noch in Tagesrandzeiten und Wochenendarbeit bewirtschaftet, könnte aber die Wertschätzung für das Eigene, – für die einem auf Zeit anvertraute Mutter Erde eine Renaissance erleben.

Auf den Bauernhöfen wird unbeirrt die Arbeit fortgesetzt. Die Tiere scheren sich keinen Deut um die Krise. Das hat möglicherweise auch etwas Beruhigendes für die betreuenden Menschen an sich.
Von den Tieren kann man sich etwas abschauen. Nämlich – worauf es wirklich ankommt.
Es kommt darauf an, dass die fundamentalen Dinge funktionieren, auch wenn’s schwierig wird. 
Unser hochgezüchtetes globales Wirtschaftssystem ist nach wenigen Tagen am Boden, wenn’s schwierig wird, das erleben wir gerade hautnah.

Die Landwirtschaft – in der Ökonomie „Primärsektor“ genannt, ist deutlich resilienter. 
Das „Primär“ bezieht sich für mich auf die Hierarchie in der Unverzichtbarkeit.
Mit Landwirtschaft allein funktioniert keine moderne Volkswirtschaft, klar.  Aber ohne?
Diese Wichtigkeit müsste nicht zwingend dazu führen, sich in entsprechenden Gruppen in sozialen Medien selbst zu feiern und teilweise haarsträubenden Unsinn zu verbreiten.

Sie dürfte aber dazu führen, mit Selbstbewusstsein die eigene Rolle in der Gesellschaft zu überdenken. Die eigene Rolle in der Arbeitswelt. Die Rolle des landwirtschaftlichen Familienbetriebes im Gesamtgetriebe.

Die aktuelle Krise zeigt ganz deutlich auf, was viele nie bezweifelten:
Gut vernetzte kleine Strukturen sind widerstandsfähiger als große. Je größer, desto tönern die Füße. So gesehen ist unsere Landwirtschaft ein Paradebeispiel an Resilienz.

Eine zukunftsträchtige Strategie könnte doch sein, Energie dafür aufzuwenden, die landwirtschaftlichen Betriebe zu entwickeln. In eine Richtung zu entwickeln, die sie befähigt, einem Familienmitglied oder mehreren einen Arbeitsplatz „zuhause“ zu sichern.
Das wird nicht überall mit ein paar Milchkühen möglich sein. Dennoch: Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt, wenngleich viele Bauern im Grünlandgebiet Landwirtschaft mit Milchviehhaltung gleichsetzen.

Autor unbekannt; Foto Danner

Es wird aber nicht nur einer positiven Grundstimmung der Bauern bedürfen. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich entscheiden. Bäuerliche Betriebe leben davon, ihre Produkte gewinnbringend zu verkaufen und für öffentliche Leistungen angemessen bezahlt zu werden. Lange genug hat der Tourismus bäuerliche Kulturlandschaft verkauft, ohne sich vorher  Verkaufsrechte sichern zu müssen. Damit muss jetzt Schluss sein! 

Der Preis des Essens muss seinem Wert entsprechen. Der Preis der Kulturlandschaft dem Aufwand ihrer Instandhaltung.

Dann kann ein 25 Hektar Betrieb ein Familieneinkommen sichern, und für viele Familien Grundnahrungsmittel erzeugen, die selbst in der Krise verfügbar sind.

Markus Danner