Wie wir Gülle auf die Wiesen ausbringen, ist nicht mehr Privatsache.
Die NEC Richtlinie zwingt Vater Staat dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um die Emissionen aus den landwirtschaftlich-tierischen Hinterlassenschaften einzudämmen. Ammoniak ist der Stein des Anstoßes, der die Atmosphäre nicht bekömmlich, dafür umsomehr klimarelevant belastet und als Feinstaub-Initiator gilt.
Sind die Wege zum Ziel klar?
Die Wege, dieses Ziel zu erreichen, könnten unterschiedlicher nicht sein zwischen Förderprogrammen, (halb-)wissenschaftlichen Empfehlungen, Beratungsstellen und -kräften und dem ursprünglichen Anspruch der Biolandwirtschaft.
Die „Bio“-Regel:
Dünger ist frei von Fäulnis und giftigen Inhaltsstoffen an die aerobe Bodenschicht heranzubringen. Dies hat möglichst regelmäßig und gleichmäßig verteilt zu erfolgen.
Jenem Anspruch nämlich, die Böden beleben zu wollen.
Die Umtriebe der letzten Jahre beobachtend, muss die Frage erlaubt sein: Gibt es diesen Anspruch überhaupt noch? Oder ist er ein Relikt aus einer verklärten, verniedlichten Pionierzeit?
Gehen wir kurz davon aus, wir wollen der Lehre des Biolandbaus entsprechend dem Bodenleben so viel wie möglich Gutes tun. Wie machen wir das?
Indem wir den aerob arbeitenden Mikroben und Bodentieren in der oberen Bodenschicht soviel Bekömmliches zuführen, wie diese einerseits verarbeiten können und anderseits durch die Qualität des Angebotenen deren Arbeits- und Vermehrungsfreude befeuern.
Gelebte Praxis biegt ab
Der Druck auf die Bauernschaft, es anders zu machen, steigt stetig.
Gülleseparation wird als fast unverzichtbare Maßnahme der Zukunft propagiert. Dazu das Einbringen der Flüssigphase in den Boden bzw. Aufbringen in möglichst schmalen Streifen, um die schnelle Versickerung in den Boden sicherzustellen und möglichst wenig Futter und Bodenoberfläche zu benetzen.
So weit, so (nicht) gut.
Jahrzehntelang haben wir (Lehrende, Beratende des Biolandbaus) gepredigt, dass das Eindringen der flüssigen organischen Dünger in den Boden zwangsläufig Schäden verursacht. An der Bodenstruktur durch deren Auflösung durch den massiven Kalium-Schwarmionen Eintrag. Am Bodenleben selbst durch den Kontakt mit dem tw. ätzenden Substrat.
Ammoniak soll in den Boden, um nicht in die Atmosphäre auszugasen. Dass Ammoniak nicht in die Atmosphäre soll, ist nachvollziehbar, was soll der toxische Stoff aber im Boden? Es steht nie zur Diskussion, welche Wirkungen der Eintrag in den Boden hinterlässt.
Keine Pflanzenwurzel will mit Ammoniak in Berührung kommen. Kein Bakterium, kein Pilz, keine Alge, kein Regenwurm und kein Springschwanz kann damit irgendetwas anfangen, außer zu platzen oder zu verätzen.
Technik allein löst das Problem nicht
Leider ist die politische Zielrichtung eindeutig und ausschließlich darauf ausgerichtet, die Problematik (Emissionsreduktion) technisch lösen zu wollen.
Das ist kritikwürdig, aufgrund verschiedener Interessen und der Komplexität der Sachlage aber auch nicht unlogisch.
Jeder Betrieb hat unterschiedliche Lagerverhältnisse, unterschiedlichen Umgang mit seinen Hofdüngern. Wie soll eine zielgerichtete, vereinheitlichte Vorgehensweise in Gang gebracht werden? Fast unmöglich.
Woher kommen Lösungsansätze?
Bei der Suche nach der ultimativen Antwort auf die komplexe Thematik muss ich nach über 25 Jahren hoffnungsvollem Warten ernüchtert feststellen: Die Forschung hat uns diesbezüglich völlig im Stich gelassen. Geforscht und wissenschaftlich untersucht wird vermeintlich an Sachverhalten, in die irgendjemand Geld investieren will, aus welchen Motiven auch immer, und nicht zwingend an Antworten auf dringende Fragen der Praktiker.
Verfahren zu entwickeln, die auf jedem tierhaltenden Betrieb einen stabilen, emissionsarmen, unbedenklichen Wirtschaftsdünger herstellen lassen, – daran scheint das Interesse überschaubar.
So beruhen letztlich alle Empfehlungen, die von der Beratung an Betriebe gehen können, von Betrieben, die teilweise über viele Jahre experimentiert und Erfahrungen gesammelt haben.
Aufs Ganze geschaut – worauf kommt es an?
Als Praktiker wünschen wir uns einen Dünger (resp. Gülle), der wenig Verluste zeitigt (v.a. N und S), wenig an Pflanzen haftet, dadurch gut an den Boden kommt und von diesem rasch aufgenommen und verarbeitet wird.
Verschiedene Maßnahmen können helfen, diese Eigenschaften zu unterstützen.
Aus allen Betrachtungen der wichtigste Teilaspekt ist wohl jener, dass alle genannten „Wunsch“- Eigenschaften helfen, durch die Verbesserung des Stoffkreislaufs und des einhergehenden Mehrertrags von Wiesen, Weiden und Ackerkulturen die Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu erhöhen. Umso erstaunlicher, dass diesem Aspekt auf vielen Betrieben kaum Bedeutung zuerkannt wird.
Fließfähigkeit der Gülle
Schleimstoffe sorgen für das Anhaften der Gülle an den Pflanzen und verringern allgemein die Fließfähigkeit. Sie in der Güllegrube abzubauen, die Viskosität zu senken, wirkt sich mehrfach positiv aus, bis die Gülle letztlich in den Boden sickert.
Je höher die mikrobielle Aktivität in der Gülle, desto besser werden diese Schleimstoffe abgebaut, die Fließfähigkeit verbessert sich u.U. deutlich!
Mikroorganismenpräparate (milchsaure Kulturen) unterstützen diesen Prozess.
Mikroorganismen milchsaurer Kulturen verhindern bzw. beseitigen auch einen Zustand bzw. Prozesse, die wir Fäulnis nennen.
pH-Wert
Je tiefer der pH-Wert, desto weniger Ammoniakbildung.
Die eben genannten milchsauren Kulturen unterstützen die pH-Wert Absenkung, reichen aber nicht aus, um eine „saure“ Gülle zu erhalten.
Gegenteilig wirkt aber die Verwendung von Kalkprodukten im Stall und in der Gülle. Auf solche Additive sollte aus diesem Grund unbedingt verzichtet werden. Auch die Laugen der Melktechnikreinigung arbeiten nur primär für uns, in der Güllegrube gegenteilig. Ist es möglich, diese Abwässer anders zu „entsorgen“?
Eine Messung des pH-Wertes ist keine aufwändige Geschichte, gibt uns aber wertvolle Informationen. Nahe 7 oder gar darunter heißt: kaum Ammoniakbildung.
pH 7,5 oder mehr lässt uns wissen, dass wir Vorsorge treffen sollten, sich bildendes Ammoniak einzufangen.
Absorbierende Additive
Einfangen lässt sich Ammoniak, Schwefelwasserstoff oder andere flüchtige Stoffe mit oberflächenaktiven Substanzen wie Pflanzenkohle, Zeolith, Tonmineralen oder feinvermahlenem Steinmehl. Teilweise funktioniert das direkt, teilweise indirekt. Ist diese Wirkung zwar häufig bestritten, zeigen solcherart versorgte Güllen in der Praxis dennoch tendenziell höhere N-Gehalte als unversorgte. (Diese Aussage hat keine wissenschaftliche Evidenz, sondern basiert auf Ergebnissen mehrerer Dutzend in den letzten Jahren gesammelter Gülleanalysen). Somit muss durch die Anwendung augenscheinlich eine Verlustquelle abgemildert worden sein.
Natürlich hilft uns auch das verdünnende Wasser, Ammoniak & Co in Lösung zu halten und die Ausgasung zu verhindern.
Fazit
Letztlich muss in Österreich auf irgendeine Art und Weise der NEC Richtlinie entsprochen werden. Je mehr sich an der Maßnahme Bodennahe Ausbringung beteiligen, desto näher das gesetzte Ziel. Dann kann der Fall eintreten, dass es nicht zu einer allgemeinen Verpflichtung wird, bestimmte Ausbring-Technik zu verwenden.
„Bodennahe Ausbringung“ der Gülle ist kein Problem für die Bodengesundheit, wenn gewährleistet wird, dass möglichst vollflächig appliziert wird und die Mengen in verträglichen Portionen verabreicht werden.
Für die Ammoniakproblematik stehen endgültige Lösungen und Antworten aus. Die Bildung im Lager muss mit allen Möglichkeiten so gering wie möglich gehalten werden. Nur dann können wir dem Boden bekömmlichen Futternachschub zukommen lassen. Es bedarf ergebnisoffener Forschung, um Antworten auf diese wichtigen Fragen zu erhalten.
Markus Danner